Er ist Hotelier in Hohegeiß im Südharz und Betreiber von drei Liftanlagen sowie verschiedenen Loipen für den Wintersport. Sein Blick richtet sich nicht nur auf seine eigenen Betriebe, sondern auch auf die Weiterentwicklung von Hohegeiß und den Harz insgesamt. Was er anfasst, kennt er aus dem Eff-Eff. Er hat in 30 Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben und sprüht vor Ideen. Wir sprachen mit ihm über die Folgen von Corona, die Anziehungskraft des Harzes, die Macht der Hotelportale und das Baumsterben.
Thomas Rust
Betreibt das Viersterne-Hotel Rust in Hohegeiß im Südharz seit über 30 Jahren. Er hat Ausbildungen in allen Bereichen des Hotelbetriebs gemacht, als Kellner (heute Restaurant-Fachmann), in der Küche und im Kaufmännischen. Um einen Geschäftsführer einzustellen sei ein Hotel mit 58 Betten zu klein, sagt er und fügt gleich hinzu: »Vielleicht ist es gerade das, was so einen Betrieb auszeichnet, was ihn stark macht, wirtschaftlich, personell und persönlich.«
Herr Rust, der Harz ist in den letzten Monaten bei vielen wieder stärker ins Bewußtsein geraten und die düsteren Wolken aufgrund von Corona scheinen sich langsam aufzulösen. Nur ein Drittel der Deutschen plant normalerweise den Haupturlaub im eigenen Land. Viele Veranstalter rechnen damit, dass es dieses Jahr doppelt so viele werden könnten. Ist der Harz dem Ansturm gewachsen?
Das Comeback des Harzes wird es auf jeden Fall geben. Ich denke, heftiger als wir alle vermuten. Wir freuen uns darauf und sind darauf vorbereitet.
Natürlich gibt es noch erhebliche Unwägbarkeiten, aber die Situation wird für Hotels und Restaurants von Woche zu Woche besser. Wir merken das schon an steil-steigenden Reservierungen. »Können wir kommen, Herr Rust? Haben wir ein Zimmer?« Diese Anfragen, ob per Telefon oder Email, kommen permanent.
Und, dass nach einer aktuellen Studie 45 Prozent der 18- bis 25-Jährigen öfter wandern, ist auch eine sehr gute Nachricht für den Harz. Ich habe überhaupt den Eindruck, dass viele Harzurlauber auch aufgeschlossen für Veränderungen sind. Als unser Restaurant geschlossen war, haben wir unseren Gästen einen Picknickkorb für zwei Personen zusammengestellt , mit allem, was dazugehört. Das wurde überraschend häufig in Anspruch genommen.
Ihre Mitarbeiter haben Sie teilweise mit dem Bau eines Hüttendorfes für die Außengastronomie beschäftigt. Was planen Sie genau?
Wir erwarten, dass die Außengastronomie in den nächsten Monaten einen starken Aufschwung erlebt. Also bauen wir viele kleine »Hüttchen« für zwei Personen, die sich dann je nach Bedarf zu einem Hüttendorf zusammenstellen lassen.
Was haben Sie an finanziellen Ausgleichshilfen in der Coronazeit erhalten?
Da wir im November des Vorjahres das Hotel umgebaut haben und im Dezember Betriebsferien hatten, waren die Ausgleichszahlungen – 75 Prozent des Umsatzes in diesen beiden Monaten – kaum der Rede wert.
Wieviel Prozent der Hotels und Restaurants im Harz werden nach Ihrer Vermutung aufgrund von Corona aufgeben müssen?
Natürlich wird jeder versuchen, wieder zu öffnen. Aber viele Betriebe haben Anträge auf Stundung von Forderungen gestellt, bei den Banken, beim Finanzamt, bei der Kommune. Was passiert, wenn diese Forderungen dann in einem halben Jahr fällig gestellt werden, kann Ihnen niemand sagen. Ich kann nur das Beste hoffen, auch für eine weitere gedeihliche Entwicklung im Harz.
Sie sind dafür bekannt, dass Sie sich mit Ihren Ideen und Ihren Netzwerken intensiv für Hohegeiß einsetzen. Über welche aktuelle Entwicklung freuen Sie sich ganz besonders?
In den letzten vier Jahren hat sich viel getan in Hohegeiß. Es wurde wieder investiert, was jahrelang gar nicht der Fall war. Allein im letzten halben Jahr haben vier Hotels den Besitzer gewechselt und es sind Gaststätten und neue Geschäfte in Räumlichkeiten eröffnet worden, die lange leer standen. Sehr viele Leute, auch jüngere, aus den Ballungszentren haben hier etwas erworben, so dass der Immobilienmarkt zur Zeit komplett leergefegt ist.
Wer durch den Oberharz fährt, dem verschlägt es die Sprache. Statt des herrlichen Fichtenhochwaldes, zum Beispiel am Oderteich, sieht man kilometerweit abgestorbene Bäume. Wie reagieren Ihre Gäste darauf?
Jeder zweite Gast, der hier bei uns an der Rezeption steht, fragt mich »Herr Rust, was ist da passiert?« Hier bei uns in Hohegeiß werden kranke Bäume abgeholzt, im Nationalpark lässt man sie stehen. Ich schlage den Gästen vor, zum Torfhaus zu fahren und mit den Rangern eine Begehung im Nationalpark zu machen. Ob sie das Problem dann verstanden haben, ist eine ganz andere Frage. Aber das Baumsterben ist ja nichts harz-typisches, sondern ein deutschland-weites Problem in den Mittelgebirgen.
Im Südharz haben wir einen sehr großen Bestand an Buchen, die anscheinend mit trockeneren Jahren besser zurecht kommen. Auch im Ostharz gibt es viele Laubbäume.
Wandern ist nach einer neuen Studie für viele eine Mischung aus Fitness, Entspannung, Naturerleben und Geselligkeit. Würden Ihre Gäste das bestätigen?
Das bringt die Sache genau auf den Punkt. 40 Millionen Deutsche wandern. Wir haben diese Zielgruppe nie aus den Augen verloren. Das Wandergebiet von Hohegeiß ist im Grunde ein Verbundsystem. Wenn ich hier losgehe, könnte ich durch den ganzen Harz wandern. Alles ist ausgeschildert, verzweigt, vernetzt.
Wo kommen Ihre Gäste zum überwiegenden Teil her?
Grob gesagt aus einem Umkreis von 300 Kilometern, also zum Beispiel aus Bremen, Hamburg, Berlin, Leipzig bis zur Weißwurstgrenze.
Als Hotelbetreiber erreichen Sie über Internetportale Urlauber auf der ganzen Welt. Welche Erfahrungen haben Sie mit der großen Reichweite und den damit verbundenen Konditionen der Internetkonzerne gemacht? Geht es überhaupt noch ohne die Portale?
Nein, ohne die Portale wie zum Beispiel Booking.com, HRS oder Expedia geht es heute nicht mehr. Die Größe eines Hotels ist dann entscheidend, wieviele Zimmer zur Verfügung gestellt werden können und ob man bereit ist, entsprechende Provisionszahlungen zu leisten.
»Ohne die Hotelportale geht es nicht«
Für ein Hotel in unserer Größenordnung mit 58 Betten ist es wichtig, überhaupt vertreten zu sein, so dass man auf den Portalen gefunden wird. Oftmals kann bei uns aber nur ein einziges Zimmer gebucht werden. Der Gast, der nun ein zweites benötigt, etwa für die Kinder, ruft dann direkt bei uns an.
Mit wieviel Hotelportalen arbeiten sie zusammen?
Wir sind so ziemlich in jedem Portal vertreten, aber immer nur mit einem oder zwei Zimmern, da wir sehr viele Stammgäste haben, die wir auf keinen Fall vernachlässigen wollen. Das Kontingent, das ich den Portalen zur Verfügung gestellt habe, war eigentlich vor Corona ständig ausgebucht. Als Hotelier muss man ja immer auch die wirtschaftliche Seite und damit die Auslastung im Auge behalten und bemüht sein, auch neue Gäste zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, auf den Portalen präsent zu sein.
Was stellen die Hotelportale für ihre Dienstleistung in Rechnung?
Ich zahle bei Booking.com eine Standardprovision von 12 Prozent. Bei anderen Portalen sind es 10 Prozent plus Mehrwertsteuer, was ungefähr auf das Gleiche herauskommt. Wenn man bereit ist, mehr Provision zu zahlen, steigt man im Ranking natürlich immer weiter nach oben und steht dann auf Platz 1, 2 oder 3. Ich bin mit der Standardprovision aber immer gut gefahren.
Darüber hinaus arbeite ich mit einem Reiseunternehmen zusammen. Das funktioniert nicht auf Provisionsbasis, sondern ich gehe mit dem Zimmerpreis etwas runter, brauche mich dafür aber um nichts zu kümmern.
Welche Rolle spielen bei den Hotelportalen gute Fotos?
Eine überragende Rolle. Einen guten Fotografen zu suchen, lohnt sich. Die Luftaufnahme habe ich noch vom Hubschrauber aus gemacht. Das geht aber heute mit Hilfe einer Drohne viel einfacher.
Vor Corona hatten Sie eine hervorragende Zimmerauslastung. Wieviele Ihrer Gäste kamen über Ihre Internetseite oder meldeten sich als Stammgast bei Ihnen?
Etwa zwei Drittel! Ein Drittel kommt über andere Vertriebswege wie die Hotelportale oder Reiseunternehmen mit denen wir zusammenarbeiten.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den regionalen Portalen wie dem Online-Buchungskanal des Harzer Tourismusverbandes oder der Internetseite harz.de gemacht?
Auf diesen Portalen bin ich heute nicht mehr vertreten, weil es nicht der klassische Vertriebsweg ist, wo der Gast nach einem Urlaubsquartier sucht. Entweder er stößt direkt auf die Internetseite unseres Hotels, wobei das Ranking bei Google eine wichtige Rolle spielt, oder er landet auf einem der Hotelportale.
Ein anderes Thema sind die Bewertungsportale. Wie ernst nehmen Sie die dort geäußerte Kritik?
Wir nutzen verschiedene Wege, um unsere Gäste zu animieren, ihre Kritik unmittelbar zu äußern, damit wir Mängel sofort abstellen können. Aus Gesprächen mit anderen Hoteliers weiß ich aber, dass dort manchmal einfach irgendetwas ohne Hand und Fuß hineingeschrieben wird. Das trägt nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Portale bei.
»Aufenthaltsdauer steigt«
Wie hat sich bei Ihnen die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste entwickelt?
Während sie früher immer weiter auf etwas über drei Nächte zurückgegangen ist, liegen wir erfreulicherweise inzwischen wieder bei fast fünf Nächten.
Der Wintersport ist in Hohegeiß ein wesentliches Standbein des Tourismus. Wenn man die teuren Pistenraupen sieht, ahnt man, dass bei Ihnen auch eine Menge Idealismus mitschwingt.
Das ist natürlich ein reines Zuschussgeschäft, aber letztlich profitiert der ganze Ort von unseren Liftanlagen und Langlaufloipen. Wenn wir im Winter einen Nachtabfahrtslauf mit einer sehr großen Flutlichtanlage anbieten, kommen die Leute sogar aus Halle, um hier für zwei Stunden Ski zu laufen. Durch die neue Autobahn über Nordhausen sind sie ja in einer Stunde bei uns.
»Wintersport wichtiges Standbein«
Auch den Langläufern haben wir etwas zu bieten. So gibt es hier im Ort zwei größere Rundloipen, von denen eine beleuchtet ist. Sehr beliebt ist auch unser Rodellift. Überhaupt ist Rodeln ein Thema was noch ausbaufähig wäre.
Einige Harzer Hotels sind bereits bei Instagram vertreten. Ist das auch für Sie ein Thema?
Ja, diese Entwicklung wird sicher weitergehen. Aber es ist eben auch sehr zeitaufwändig, wenn man auf gute Bilder und informative, nicht nur belanglose Texte wert legt. Bei mir gibt es zwei junge Leute, die sehr bewandert sind mit den Sozialen Medien. Die werden diese Aufgabe sicher gern übernehmen.
Ihre Stieftochter schließt in diesem Jahr ihre Ausbildung als Hotelkauffrau ab. Wird sie danach direkt in Ihren Betrieb einsteigen? Raten Sie ihr überhaupt, in der Hotellerie zu bleiben?
Vor Corona hätte ich gesagt »ja«. Allerdings gehört zu den Schattenseiten unserer Branche ein heftiger Preiskampf nach dem Motto »immer billiger, bei immer mehr Komfort«. Hinzu kommt in der Gastronomie das Personalproblem. Manche Betriebe müssen schließen, weil sie kein Personal bzw. Fachpersonal bekommen. Man ist daher gut beraten, eigenen Nachwuchs heranzuziehen.
Ich empfehle ihr, erst einmal über den Tellerrand zu schauen und Erfahrungen in anderen Hotels zu sammeln.
Ein Problem vieler Hotels mit Restaurantbetrieb haben Sie elegant gelöst.
Viele Leute haben eine seltsame Schwellenangst, in das Restaurant eines Hotels zu gehen. Wir haben also umgebaut und nennen es jetzt Hüttencafe. Seitdem funktioniert es. Gäste einer Ferienwohnung oder vom Campingplatz kommen nun zu uns zum Frühstück oder zum Mittag- und Abendessen. Wir haben von morgens ab 8 durchgehend Küche.
»Viele regionale Produkte«
Sie haben sich vor einigen Jahren entschieden, konsequent auf regionale Produkte umzustellen. Geht das?
Nicht bei allen Produkten, das funktioniert nicht, aber doch bei sehr vielen. Mineralwasser kommt aus Bad Harzburg, das Bier aus Altenau, die Spirituosen von der Whiskydestillerie aus Zorge, Wurst, Käse, Fleisch, Forellen und Wildprodukte von einem bäuerlichen Familienbetrieb in Walkenried, der in Hohegeiß auch die Bergwiesen pflegt.
Von welchen touristischen Angeboten fühlen sich Ihre Gäste besonders angesprochen?
Da sind natürlich die High Lights wie Brockenbahn, Harzquerbahn, Hängeseilbrücke, Teufelsmauer, Baumwipfelpfad usw. In einem Umkreis von 30 bis 40 Kilometern liegen die berühmten Fachwerkstädte Goslar, Quedlinburg, Stolberg und Wernigerode. Wir haben die bekannten Stollen und Höhlen sowie die zahlreichen Stauseen. Es gibt so viele teils spektakuläre Freizeitmöglichkeiten wie in keinem anderen Mittelgebirge. Übrigens: Unser täglich erscheinender Newsletter hat in jeder Ausgabe auch einen Ausflugstipp. Der letzte empfahl zum Beispiel einen Besuch des Luftfahrt Museums Wernigerode.
»Zahlreiche heimische Orchideenarten«
Gibt es in Hohegeiß neben den vielfältigen Wander- und Mountainbike-Möglichkeiten sowie dem herrlich gelegenen Freibad noch Überraschungen, die im Reiseführer nur selten zu finden sind?
Ja, zum Beispiel die Bergwiesen mit ihrer Vielfalt an Naturpflanzen. Wo sonst im Harz wachsen schon so viele heimische Orchideenarten. Mit einem Bergwiesenportal wollen wir darauf hinweisen. Es ist sozusagen ein Pfad durch die Bergwiesen, bei dem Experten erklären, welche seltenen Pflanzen und Kräuter bei uns heimisch sind.
Das sogenannte Dreiländereck, bei dem die Landesgrenzen von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammentreffen, ist nur wenige Kilometer vom niedersächsischen Hohegeiß entfernt. Macht sich das für den Ort eher positiv oder eher negativ bemerkbar?
Natürlich begrüßen wir es, wenn auf der Ebene der Bundesländer gute Entscheidungen für den Harz getroffen werden, aber wenn vier verschiedene Landkreise auf engem Raum zuständig sind, kommt es naturgemäß zu länderübergreifenden Problemen. Das fängt bei den Busfahrplänen an und hört bei den unterschiedlichen Fördermitteln auf.
Auf der Ebene der Kommunen allerdings funktionieren die Kontakte: Benneckenstein liegt in Sachsen-Anhalt, Rothesütte als nördlichster Ort Thüringens gehört zur Stadt Ellrich und Hohegeiß zu Braunlage. Vor Corona hat es regelmäßig Stammtische der drei Orte gegeben und man hat sich bei Veranstaltungen gegenseitig unterstützt. Das länderübergreifende Spuren der Langlaufloipen funktioniert zum Beispiel auf dem kleinen Dienstweg.
Ansturm auf einen Rückzugsort im Grünen
»Seit der Corona-Krise verzeichnen wir einen wirklichen Ansturm auf Ferienhäuser«, zitiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in ihrer Ausgabe 19/21 einen Vertreter des Unternehmens Ostharz Immobilien. Die Preise seien im Ostharz im Schnitt um 25 bis 30 Prozent gestiegen. Hätten die Käufer vor ein paar Jahren für ein Wochenendhäuschen rund 50.000 Euro bezahlt, lägen sie inzwischen bei 70.000 bis 100.000 Euro.
Der Verkauf eines Objekts habe vor fünf Jahren manchmal sechs Monate gedauert, heute lägen nach drei Tagen zuweilen bereits 40 Anfragen vor. Einen Rückzugsort im Grünen suchten nicht nur Käufer aus einem Umkreis von 200 Kilometern, sondern auch Leute aus der Nähe. Der Harz habe sein altbackenes Image mittlerweile abgestreift. Im westlichen Teil des Mittelgebirges seien noch Schnäppchen möglich.
Text, Bilder und Gestaltung: Michael Hotop, Jochen Hotop
Mit kleinen Hütten für zwei Personen hat sich das Hotel Rust auf einen starken Aufschwung der Außengastronomie eingestellt. (Foto: oh). Rechts: Auf den Bergwiesen von Hohegeiß blühen stellenweise eine Vielzahl heimischer Orchideen. (Foto: Anni Wilhelm).
Er ist Hotelier in Hohegeiß im Südharz und Betreiber von drei Liftanlagen sowie verschiedenen Loipen für den Wintersport. Sein Blick richtet sich nicht nur auf seine eigenen Betriebe, sondern auch auf die Weiterentwicklung von Hohegeiß und den Harz insgesamt. Was er anfasst, kennt er aus dem Eff-Eff. Er hat in 30 Jahren immer schwarze Zahlen geschrieben und sprüht vor Ideen. Wir sprachen mit ihm über die Folgen von Corona, die Anziehungskraft des Harzes, die Macht der Hotelportale und das Baumsterben.
Betreibt das Viersterne-Hotel Rust in Hohegeiß im Südharz seit über 30 Jahren. Er hat Ausbildungen in allen Bereichen des Hotelbetriebs gemacht, als Kellner (heute Restaurant-Fachmann), in der Küche und im Kaufmännischen. Um einen Geschäftsführer einzustellen sei ein Hotel mit 58 Betten zu klein, sagt er und fügt gleich hinzu: »Vielleicht ist es gerade das, was so einen Betrieb auszeichnet, was ihn stark macht, wirtschaftlich, personell und persönlich.«
Herr Rust, der Harz ist in den letzten Monaten bei vielen wieder stärker ins Bewußtsein geraten und die düsteren Wolken aufgrund von Corona scheinen sich langsam aufzulösen. Nur ein Drittel der Deutschen plant normalerweise den Haupturlaub im eigenen Land. Viele Veranstalter rechnen damit, dass es dieses Jahr doppelt so viele werden könnten. Ist der Harz dem Ansturm gewachsen?
Das Comeback des Harzes wird es auf jeden Fall geben. Ich denke, heftiger als wir alle vermuten. Wir freuen uns darauf und sind darauf vorbereitet.
Natürlich gibt es noch erhebliche Unwägbarkeiten, aber die Situation wird für Hotels und Restaurants von Woche zu Woche besser. Wir merken das schon an steil-steigenden Reservierungen. »Können wir kommen, Herr Rust? Haben wir ein Zimmer?« Diese Anfragen, ob per Telefon oder Email, kommen permanent.
Und, dass nach einer aktuellen Studie 45 Prozent der 18- bis 25-Jährigen öfter wandern, ist auch eine sehr gute Nachricht für den Harz. Ich habe überhaupt den Eindruck, dass viele Harzurlauber auch aufgeschlossen für Veränderungen sind. Als unser Restaurant geschlossen war, haben wir unseren Gästen einen Picknickkorb für zwei Personen zusammengestellt , mit allem, was dazugehört. Das wurde überraschend häufig in Anspruch genommen.
Ihre Mitarbeiter haben Sie teilweise mit dem Bau eines Hüttendorfes für die Außengastronomie beschäftigt. Was planen Sie genau?
Wir erwarten, dass die Außengastronomie in den nächsten Monaten einen starken Aufschwung erlebt. Also bauen wir viele kleine »Hüttchen« für zwei Personen, die sich dann je nach Bedarf zu einem Hüttendorf zusammenstellen lassen.
Was haben Sie an finanziellen Ausgleichshilfen in der Coronazeit erhalten?
Da wir im November des Vorjahres das Hotel umgebaut haben und im Dezember Betriebsferien hatten, waren die Ausgleichszahlungen – 75 Prozent des Umsatzes in diesen beiden Monaten – kaum der Rede wert.
Wieviel Prozent der Hotels und Restaurants im Harz werden nach Ihrer Vermutung aufgrund von Corona aufgeben müssen?
Natürlich wird jeder versuchen, wieder zu öffnen. Aber viele Betriebe haben Anträge auf Stundung von Forderungen gestellt, bei den Banken, beim Finanzamt, bei der Kommune. Was passiert, wenn diese Forderungen dann in einem halben Jahr fällig gestellt werden, kann Ihnen niemand sagen. Ich kann nur das Beste hoffen, auch für eine weitere gedeihliche Entwicklung im Harz.
Sie sind dafür bekannt, dass Sie sich mit Ihren Ideen und Ihren Netzwerken intensiv für Hohegeiß einsetzen. Über welche aktuelle Entwicklung freuen Sie sich ganz besonders?
In den letzten vier Jahren hat sich viel getan in Hohegeiß. Es wurde wieder investiert, was jahrelang gar nicht der Fall war. Allein im letzten halben Jahr haben vier Hotels den Besitzer gewechselt und es sind Gaststätten und neue Geschäfte in Räumlichkeiten eröffnet worden, die lange leer standen. Sehr viele Leute, auch jüngere, aus den Ballungszentren haben hier etwas erworben, so dass der Immobilienmarkt zur Zeit komplett leergefegt ist.
Wer durch den Oberharz fährt, dem verschlägt es die Sprache. Statt des herrlichen Fichtenhochwaldes, zum Beispiel am Oderteich, sieht man kilometerweit abgestorbene Bäume. Wie reagieren Ihre Gäste darauf?
Jeder zweite Gast, der hier bei uns an der Rezeption steht, fragt mich »Herr Rust, was ist da passiert?« Hier bei uns in Hohegeiß werden kranke Bäume abgeholzt, im Nationalpark lässt man sie stehen. Ich schlage den Gästen vor, zum Torfhaus zu fahren und mit den Rangern eine Begehung im Nationalpark zu machen. Ob sie das Problem dann verstanden haben, ist eine ganz andere Frage. Aber das Baumsterben ist ja nichts harz-typisches, sondern ein deutschland-weites Problem in den Mittelgebirgen.
Im Südharz haben wir einen sehr großen Bestand an Buchen, die anscheinend mit trockeneren Jahren besser zurecht kommen. Auch im Ostharz gibt es viele Laubbäume.
Wandern ist nach einer neuen Studie für viele eine Mischung aus Fitness, Entspannung, Naturerleben und Geselligkeit. Würden Ihre Gäste das bestätigen?
Das bringt die Sache genau auf den Punkt. 40 Millionen Deutsche wandern. Wir haben diese Zielgruppe nie aus den Augen verloren. Das Wandergebiet von Hohegeiß ist im Grunde ein Verbundsystem. Wenn ich hier losgehe, könnte ich durch den ganzen Harz wandern. Alles ist ausgeschildert, verzweigt, vernetzt.
Wo kommen Ihre Gäste zum überwiegenden Teil her?
Grob gesagt aus einem Umkreis von 300 Kilometern, also zum Beispiel aus Bremen, Hamburg, Berlin, Leipzig bis zur Weißwurstgrenze.
Als Hotelbetreiber erreichen Sie über Internetportale Urlauber auf der ganzen Welt. Welche Erfahrungen haben Sie mit der großen Reichweite und den damit verbundenen Konditionen der Internetkonzerne gemacht? Geht es überhaupt noch ohne die Portale?
Nein, ohne die Portale wie zum Beispiel Booking.com, HRS oder Expedia geht es heute nicht mehr. Die Größe eines Hotels ist dann entscheidend, wieviele Zimmer zur Verfügung gestellt werden können und ob man bereit ist, entsprechende Provisionszahlungen zu leisten.
»Ohne die Hotelportale geht es nicht«
Für ein Hotel in unserer Größenordnung mit 58 Betten ist es wichtig, überhaupt vertreten zu sein, so dass man auf den Portalen gefunden wird. Oftmals kann bei uns aber nur ein einziges Zimmer gebucht werden. Der Gast, der nun ein zweites benötigt, etwa für die Kinder, ruft dann direkt bei uns an.
Mit wieviel Hotelportalen arbeiten sie zusammen?
Wir sind so ziemlich in jedem Portal vertreten, aber immer nur mit einem oder zwei Zimmern, da wir sehr viele Stammgäste haben, die wir auf keinen Fall vernachlässigen wollen. Das Kontingent, das ich den Portalen zur Verfügung gestellt habe, war eigentlich vor Corona ständig ausgebucht. Als Hotelier muss man ja immer auch die wirtschaftliche Seite und damit die Auslastung im Auge behalten und bemüht sein, auch neue Gäste zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, auf den Portalen präsent zu sein.
Was stellen die Hotelportale für ihre Dienstleistung in Rechnung?
Ich zahle bei Booking.com eine Standardprovision von 12 Prozent. Bei anderen Portalen sind es 10 Prozent plus Mehrwertsteuer, was ungefähr auf das Gleiche herauskommt. Wenn man bereit ist, mehr Provision zu zahlen, steigt man im Ranking natürlich immer weiter nach oben und steht dann auf Platz 1, 2 oder 3. Ich bin mit der Standardprovision aber immer gut gefahren.
Darüber hinaus arbeite ich mit einem Reiseunternehmen zusammen. Das funktioniert nicht auf Provisionsbasis, sondern ich gehe mit dem Zimmerpreis etwas runter, brauche mich dafür aber um nichts zu kümmern.
Welche Rolle spielen bei den Hotelportalen gute Fotos?
Eine überragende Rolle. Einen guten Fotografen zu suchen, lohnt sich. Die Luftaufnahme habe ich noch vom Hubschrauber aus gemacht. Das geht aber heute mit Hilfe einer Drohne viel einfacher.
Vor Corona hatten Sie eine hervorragende Zimmerauslastung. Wieviele Ihrer Gäste kamen über Ihre Internetseite oder meldeten sich als Stammgast bei Ihnen?
Etwa zwei Drittel! Ein Drittel kommt über andere Vertriebswege wie die Hotelportale oder Reiseunternehmen mit denen wir zusammenarbeiten.
Welche Erfahrungen haben Sie mit den regionalen Portalen wie dem Online-Buchungskanal des Harzer Tourismusverbandes oder der Internetseite harz.de gemacht?
Auf diesen Portalen bin ich heute nicht mehr vertreten, weil es nicht der klassische Vertriebsweg ist, wo der Gast nach einem Urlaubsquartier sucht. Entweder er stößt direkt auf die Internetseite unseres Hotels, wobei das Ranking bei Google eine wichtige Rolle spielt, oder er landet auf einem der Hotelportale.
Ein anderes Thema sind die Bewertungsportale. Wie ernst nehmen Sie die dort geäußerte Kritik?
Wir nutzen verschiedene Wege, um unsere Gäste zu animieren, ihre Kritik unmittelbar zu äußern, damit wir Mängel sofort abstellen können. Aus Gesprächen mit anderen Hoteliers weiß ich aber, dass dort manchmal einfach irgendetwas ohne Hand und Fuß hineingeschrieben wird. Das trägt nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Portale bei.
»Aufenthaltsdauer steigt«
Wie hat sich bei Ihnen die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste entwickelt?
Während sie früher immer weiter auf etwas über drei Nächte zurückgegangen ist, liegen wir erfreulicherweise inzwischen wieder bei fast fünf Nächten.
Der Wintersport ist in Hohegeiß ein wesentliches Standbein des Tourismus. Wenn man die teuren Pistenraupen sieht, ahnt man, dass bei Ihnen auch eine Menge Idealismus mitschwingt.
Das ist natürlich ein reines Zuschussgeschäft, aber letztlich profitiert der ganze Ort von unseren Liftanlagen und Langlaufloipen. Wenn wir im Winter einen Nachtabfahrtslauf mit einer sehr großen Flutlichtanlage anbieten, kommen die Leute sogar aus Halle, um hier für zwei Stunden Ski zu laufen. Durch die neue Autobahn über Nordhausen sind sie ja in einer Stunde bei uns.
»Wintersport wichtiges Standbein«
Auch den Langläufern haben wir etwas zu bieten. So gibt es hier im Ort zwei größere Rundloipen, von denen eine beleuchtet ist. Sehr beliebt ist auch unser Rodellift. Überhaupt ist Rodeln ein Thema was noch ausbaufähig wäre.
Einige Harzer Hotels sind bereits bei Instagram vertreten. Ist das auch für Sie ein Thema?
Ja, diese Entwicklung wird sicher weitergehen. Aber es ist eben auch sehr zeitaufwändig, wenn man auf gute Bilder und informative, nicht nur belanglose Texte wert legt. Bei mir gibt es zwei junge Leute, die sehr bewandert sind mit den Sozialen Medien. Die werden diese Aufgabe sicher gern übernehmen.
Ihre Stieftochter schließt in diesem Jahr ihre Ausbildung als Hotelkauffrau ab. Wird sie danach direkt in Ihren Betrieb einsteigen? Raten Sie ihr überhaupt, in der Hotellerie zu bleiben?
Vor Corona hätte ich gesagt »ja«. Allerdings gehört zu den Schattenseiten unserer Branche ein heftiger Preiskampf nach dem Motto »immer billiger, bei immer mehr Komfort«. Hinzu kommt in der Gastronomie das Personalproblem. Manche Betriebe müssen schließen, weil sie kein Personal bzw. Fachpersonal bekommen. Man ist daher gut beraten, eigenen Nachwuchs heranzuziehen.
Ich empfehle ihr, erst einmal über den Tellerrand zu schauen und Erfahrungen in anderen Hotels zu sammeln.
Ein Problem vieler Hotels mit Restaurantbetrieb haben Sie elegant gelöst.
Viele Leute haben eine seltsame Schwellenangst, in das Restaurant eines Hotels zu gehen. Wir haben also umgebaut und nennen es jetzt Hüttencafe. Seitdem funktioniert es. Gäste einer Ferienwohnung oder vom Campingplatz kommen nun zu uns zum Frühstück oder zum Mittag- und Abendessen. Wir haben von morgens ab 8 durchgehend Küche.
»Viele regionale Produkte«
Sie haben sich vor einigen Jahren entschieden, konsequent auf regionale Produkte umzustellen. Geht das?
Nicht bei allen Produkten, das funktioniert nicht, aber doch bei sehr vielen. Mineralwasser kommt aus Bad Harzburg, das Bier aus Altenau, die Spirituosen von der Whiskydestillerie aus Zorge, Wurst, Käse, Fleisch, Forellen und Wildprodukte von einem bäuerlichen Familienbetrieb in Walkenried, der in Hohegeiß auch die Bergwiesen pflegt.
Von welchen touristischen Angeboten fühlen sich Ihre Gäste besonders angesprochen?
Da sind natürlich die High Lights wie Brockenbahn, Harzquerbahn, Hängeseilbrücke, Teufelsmauer, Baumwipfelpfad usw. In einem Umkreis von 30 bis 40 Kilometern liegen die berühmten Fachwerkstädte Goslar, Quedlinburg, Stolberg und Wernigerode. Wir haben die bekannten Stollen und Höhlen sowie die zahlreichen Stauseen. Es gibt so viele teils spektakuläre Freizeitmöglichkeiten wie in keinem anderen Mittelgebirge. Übrigens: Unser täglich erscheinender Newsletter hat in jeder Ausgabe auch einen Ausflugstipp. Der letzte empfahl zum Beispiel einen Besuch des Luftfahrt Museums Wernigerode.
»Zahlreiche heimische Orchideenarten«
Gibt es in Hohegeiß neben den vielfältigen Wander- und Mountainbike-Möglichkeiten sowie dem herrlich gelegenen Freibad noch Überraschungen, die im Reiseführer nur selten zu finden sind?
Ja, zum Beispiel die Bergwiesen mit ihrer Vielfalt an Naturpflanzen. Wo sonst im Harz wachsen schon so viele heimische Orchideenarten. Mit einem Bergwiesenportal wollen wir darauf hinweisen. Es ist sozusagen ein Pfad durch die Bergwiesen, bei dem Experten erklären, welche seltenen Pflanzen und Kräuter bei uns heimisch sind.
Das sogenannte Dreiländereck, bei dem die Landesgrenzen von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammentreffen, ist nur wenige Kilometer vom niedersächsischen Hohegeiß entfernt. Macht sich das für den Ort eher positiv oder eher negativ bemerkbar?
Natürlich begrüßen wir es, wenn auf der Ebene der Bundesländer gute Entscheidungen für den Harz getroffen werden, aber wenn vier verschiedene Landkreise auf engem Raum zuständig sind, kommt es naturgemäß zu länderübergreifenden Problemen. Das fängt bei den Busfahrplänen an und hört bei den unterschiedlichen Fördermitteln auf.
Auf der Ebene der Kommunen allerdings funktionieren die Kontakte: Benneckenstein liegt in Sachsen-Anhalt, Rothesütte als nördlichster Ort Thüringens gehört zur Stadt Ellrich und Hohegeiß zu Braunlage. Vor Corona hat es regelmäßig Stammtische der drei Orte gegeben und man hat sich bei Veranstaltungen gegenseitig unterstützt. Das länderübergreifende Spuren der Langlaufloipen funktioniert zum Beispiel auf dem kleinen Dienstweg.
»Seit der Corona-Krise verzeichnen wir einen wirklichen Ansturm auf Ferienhäuser«, zitiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in ihrer Ausgabe 19/21 einen Vertreter des Unternehmens Ostharz Immobilien. Die Preise seien im Ostharz im Schnitt um 25 bis 30 Prozent gestiegen. Hätten die Käufer vor ein paar Jahren für ein Wochenendhäuschen rund 50.000 Euro bezahlt, lägen sie inzwischen bei 70.000 bis 100.000 Euro.
Der Verkauf eines Objekts habe vor fünf Jahren manchmal sechs Monate gedauert, heute lägen nach drei Tagen zuweilen bereits 40 Anfragen vor. Einen Rückzugsort im Grünen suchten nicht nur Käufer aus einem Umkreis von 200 Kilometern, sondern auch Leute aus der Nähe. Der Harz habe sein altbackenes Image mittlerweile abgestreift. Im westlichen Teil des Mittelgebirges seien noch Schnäppchen möglich.
Text, Bilder und Gestaltung: Michael Hotop, Jochen Hotop