Anziehungspunkte

Wo Wilhelm Busch zuhause war: Mechtshausen

Wilhelm Busch hatte viele Talente und ist eine Art Markenzeichen von Niedersachsen. Seine tragisch-komischen Bildgeschichten wie die von »Max und Moritz«, der »Witwe Bolte« und der »Frommen Helene« machten ihn zu einem der Väter des modernen Comics. In dem kleinen Dorf Mechtshausen, das zur Stadt Seesen am Harz gehört, lebte der weltberühmte Zeichner, Maler und Dichter von 1898 bis zu seinem Tod 1908.

Der sparsame Zeichenstil und sein Talent, die Bilder ebenso sparsam in Versform zu kommentieren, brachten ihm so viel Ruhm ein, das Kaiser Wilhelm II. zum 70. Geburtstag gratulierte. Die Kehrseite seiner satirischen Bildgeschichten, die den Zeitgeist entlarvten: Sie kosteten ihn so viel Zeit, dass andere Arbeiten, die er für wichtiger hielt, zu kurz kamen, zum Beispiel die Malerei von Motiven aus seiner niedersächsischen Heimat. In diesem Bereich seiner künstlerischen Schaffenskraft war er im Gegensatz zu seinen humorvoll-ironischen Bildgeschichten ganz der romantische Künstler.

Wilhelm Busch Haus Mechtshausen
Wilhelm Busch bei einem Glas Rotwein in der Garten-Grotte, die es nach wie vor gibt und die einer seiner Lieblingsplätze war. Von ihm stammt auch das Bon Mots „Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben“. Das Wilhelm Busch Haus in Mechtshausen liegt heute wie damals in einem verwunschenen Waldgarten.

»Kein Spaßmacher, eher ein Pessimist«

Wilhelm Busch galt als ernster und verschlossener Mensch, der gern zurückgezogen in der Provinz lebte. Häufig wurde er als Spaßmacher missverstanden. Wie das böse Ende von »Max und Moritz« zeigt, war er aber alles andere als das, sondern wohl eher ein Pessimist mit schwarzem Humor, bei dem der Einfluss des Philosophen Arthur Schopenhauer spürbar war.

Mechtshausen: Ein Dorf mit Herz zwischen Harz und Heber
Zu Zeiten von Wilhelm Busch war Mechtshausen noch eine 500-Einwohner-Gemeinde. Heute sind es zwar nur noch 350, die aber sehr aktiv und füreinander da sind. Der Ort schmiegt sich im Westen an den Höhenzug Heber. Von einer Bank am Waldrand hat Wilhelm Busch gern hinüber zum Harz geschaut. Der 2 Kilometer lange Wilhelm Busch Wanderweg führt hier vorbei. Durch die Nähe zur Autobahn A7 ist ein Abstecher nach Mechtshausen von der Abfahrt aus in wenigen Minuten möglich.

Mit scharfer Beobachtungsgabe griff er in seinen Bildergeschichten die Eigenarten bestimmter Menschen oder Gesellschaftsgruppen auf wie die Selbstzufriedenheit und Doppelmoral des Spießbürgers. Dabei erzielte er die Hauptwirkung durch eine Mischung von Bekanntem mit Unerwartetem sowie Überspitzungen. Wilhelm Busch, so heißt es, soll auch andere humoristische Dichter inspiriert haben, etwa Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz, Christian Morgenstern, Eugen Roth und Heinz Ehrhardt.

Geflügelte Worte von Wilhelm Busch

»Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr«

»Eins, zwei, drei. Im Sauseschritt Läuft die Zeit; wir laufen mit«

»Rotwein ist für alte Knaben eine von den besten Gaben«

»Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung«

»Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt«

»Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich«

»Es ist ein Brauch von alters her, wer Sorgen hat, hat auch Likör«

»Stets findet Überraschung statt, Da wo man´s nicht erwartet hat«

»Das Ewige ist stille, laut die Vergänglichkeit; schweigend geht Gottes Wille über den Erdenstreit«

»Wenn andre klüger sind als wir, das macht uns selten nur Pläsier,
doch die Gewissheit, dass sie dümmer, erfreut fast immer«

»Bist Du wütend,
zähl bis vier, hilft das nicht,
dann explodier!«

Ein weiteres Museum gibt es in seinem Geburtshaus in Wiedensahl, zwischen Hannover und Minden, wo Wilhelm Busch 1832 als ältestes von sieben Kindern auf die Welt gekommen ist. Die meisten Exponate des Künstlers befinden sich in Hannover in einem Museum mit dem langen Namen »Wilhelm Busch Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst«.

Hat Wilhelm Busch die Kirschbäume noch selbst gepflanzt?

So geht jedenfalls das Gerücht in dem kleinen Dorf Mechtshausen. Hier hat Wilhelm Busch in dem damaligen Pfarrhaus die letzten zehn Jahre seines Lebens von 1898 bis 1908 gewohnt. Das Grundstück: Ein damals wie heute verwunschener Waldgarten. Der Blick, den Wilhelm Busch so genossen hat, geht im Osten hinüber zum Harz und im Westen zum Höhenzug Heber. Wie viele Besucher kommen heute in das Wilhelm Busch Haus? Gibt es Anekdoten aus dem damaligen Dorfleben? Welche Pläne gibt es, um das Museum noch attraktiver zu machen?  Wir sprachen mit Reinhard Skott, Mitglied des Fördervereins des Wilhelm Busch Hauses.

Harz-Beat: Herr Skott, schon bei der Anreise nach Mechtshausen fühlt man sich in die damalige Zeit versetzt. Die Straße führt durch Lindenalleen an dem Flüsschen Nette entlang und der Ort selbst strahlt durch die üppige Natur Ruhe und Gelassenheit aus.

Dieser Eindruck ist auch deshalb richtig, weil wir keinen Durchgangsverkehr haben. Die Straße endet hier bei uns. Und noch etwas ist besonders: Unter den heute 350 Einwohnern gibt es ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl.

Reinhard Skott’s Lieblingsgeschichte von Wilhelm Busch und sein Lieblingsplatz im Harz. Er ist Mitglied des Fördervereins des Wilhelm Busch Hauses.

Harz-Beat: Hat Wilhelm Busch noch Fans, die regelmäßig nach Mechtshausen kommen?

Vor Corona hatten wir vier Jahre nacheinander im Garten eine Open-Air-Ausstellung der namhaftesten deutschsprachigen Karikaturisten. Die Veranstaltung haben wir gemeinsam mit der Berliner Cartoon Fabrik organisiert. Bei der abendlichen Eröffnung war jeder mit einer Taschenlampe bewaffnet und es war schon ungewöhnlich von den verschiedensten Stellen des Waldgartens vielfältiges Gelächter zu hören. Es kann sein, dass wir diese Veranstaltungsreihe wieder aufleben lassen.

»Schlaraffen sorgen für einen Hauch Karneval«

Und einmal im Jahr kommen die sogenannten »Schlaraffen« zu uns. Eine kunterbunte Truppe, die einen besonderen Humor pflegt und in Mechtshausen für einen Hauch von Karneval sorgt. Es sind überwiegend hoch-honorierte Leute, darunter Abgesandte von Universitäten. Sie machen hier bei uns einen Wilhelm-Busch-Trail, gehen ins Haus, wandern auf dem zwei Kilometer langen Wilhelm-Busch-Pfad, besuchen die Grabstätte auf unserem Friedhof und treffen sich zum Abschluss in unserer Dorfkneipe.

Harz-Beat: Wie viele Besucher kommen durchschnittlich im Jahr und wie stark ist das Medieninteresse?

Vor der Corona-Zeit waren es 1300 bis 1800 Besucher. Viele erreichen uns über die nahe Autobahn, weil sie zufällig ein Hinweisschild gesehen haben. Auch zu bestimmten Feierlichkeiten kommen viele. Zu »150 Jahre Hans Huckebein«, dem Unglücksraben, gab es sogar einen internationalen Zuspruch. Es kamen Gäste aus Japan und ein Fernsehteam aus Tschechien. Max und Moritz gibt es ja in 200 Übersetzungen.

»Wie bescheiden er lebte, beeindruckt viele«

Im Übrigen ist das Interesse aus den ostdeutschen Bundesländern besonders stark. Viele verfügen über ein recht umfangreiches Wissen, da in den Haushalten das »dicke Wilhelm Busch Buch« zur Ausstattung gehörte. Darüber hinaus kennen die ostdeutschen Besucher Wilhelm Busch aus ihrer Schulzeit. Teilweise hat man ihn zu DDR-Zeiten ja auch als Revolutionär mit vereinnahmt. Viele fühlen sich von der Art und Weise unseres kleinen Museums angesprochen und sie sind beeindruckt, dass dieser bekannte Mann in so bescheidenen Verhältnissen gelebt hat.

Lieblingsgeschichte von Wilhelm Busch und Lieblingsplatz im Harz

Sidney Grownica

Vorsitzender der Künstlergilde Harz, Bad Harzburg.

Heide Lühr-Hassels

Künstlerin mit Schwerpunkt Ölmalerei in Braunschweig.

Ulrich Hassels

Architekt in Braunschweig.

Harz-Beat: Womit befasste sich Wilhelm Busch als er 1898 ins Mechtshausener Pfarrhaus einzog?

Zwar malte und zeichnete er nicht mehr, aber er schrieb rund 100 Gedichte. Darüber hinaus ist in über 400 Briefen dokumentiert, was ihn auf seiner letzten Lebensstation bewegte. So setzte er sich viel mit philosophischen Fragen auseinander, vor allem mit der Philosophie Schopenhauers. Sein reger Briefwechsel und seine Gedichte spiegeln diese philosophischen Gedankengänge wider. In Mechtshausen vollendete er auch sein lyrisches Werk »Schein und Sein«.

Harz-Beat: Sie sind selbst auch künstlerisch tätig, Herr Skott. Hat Wilhelm Busch Sie in irgendeiner Weise inspiriert?

Ich habe einmal versucht, seine Figuren in einem Bild zu erfassen, aber schnell gemerkt, dass man unwahrscheinlich lange daran arbeiten muss, um den Charakter der Figuren überhaupt nur annähernd wiederzugeben. Die Art und Weise der Technik seiner Zeichnungen ist für mich ein Phänomen.

»Drei herausragende Begabungen: Scharfe Beobachtungsgabe sowie Zeichen- und Dichtkunst«

Und seine scharfe Beobachtung aller unserer menschlichen Schwächen, ist natürlich eine ganz besondere Begabung, die wir heute nur bei unseren besten Karikaturisten und Komödianten wiederfinden. Das begeistert mich total. Ist es nicht wunderbar wie er den Alkoholmissbrauch in der »Frommen Helene« aufspießte: »Es ist ein Brauch von alters her, wer Sorgen hat, hat auch Likör.« Wilhelm Busch war aus meiner Sicht mit gleich drei herausragenden Begabungen gesegnet, seiner scharfen Beobachtungsgabe sowie seiner Zeichen- und Dichtkunst.

Dorfbewohner auf falscher Fährte

Wilhelm Busch galt als Einzelgänger. Dazu erzählt Reinhard Skott folgende Geschichte:

Die Leute im Dorf haben lange nicht gewusst, wer hier eigentlich lebt. Irgendwann ist ihnen dann über den damaligen Lehrer »Max und Moritz« zu-gespielt worden. In ihrem ersten Eindruck haben die Dorfbewohner angenommen, dass es wohl Personen aus dem Dorf sein müssten, die hier karikiert worden sind. Und dann haben sie den Schmid von Mechtshausen, der gleichzeitig auch der Friseur des Ortes war, animiert, »wenn er zu dir kommt, frag ihn, wen er damit im Einzelnen gemeint hat«. Das hat er dann wohl auch versucht, musste aber feststellen, je mehr er Wilhelm Busch bedrängte, Auskunft zu geben, desto schweigsamer wurde dieser und desto geringer fiel das Trinkgeld aus. Fragte er dagegen nicht, gab es ein höheres Trinkgeld. Darauf hin hat er die ihm übertragene Aufgabe anders geregelt.

Harz-Beat: Wer das alte Pfarrhaus erlebt, stellt fest, dass die Räume großzügig konzipiert worden sind.

Man wusste eben 1880, als das Haus etwa erbaut wurde, dass die Pfarrer viele Kinder haben. Die Räume von Wilhelm Busch mit Blick auf den Heber sind zum größten Teil original-getreu erhalten geblieben. Sie bestehen aus einem Wohnzimmer und einem Schlafzimmer, wo er auch gestorben ist.

Im Originalzustand: Das Wohn- und das Schlafzimmer von Wilhelm Busch.

Wenn Schülergruppen zu uns kommen, werden wir meistens gefragt, wo er denn sein Badezimmer hatte, und wir zeigen dann auf einen Wasserkrug und eine größere Schüssel in der Ecke.

Harz-Beat: Wie war es in dieser Zeit finanziell um Wilhelm Busch bestellt?

Als er hier einzog und hier lebte war er bereits ein vermögender Mann, davor hat er allerdings lange Durststrecken erleben müssen. Aber er war mit Max und Moritz und allem was danach kam sehr erfolgreich. Er hat nicht nur die Pfarrerskinder bildungsmäßig gefördert, sondern auch in Hannover viel Geld spendiert für die Betheler Anstalten und ein weiteres Krankenhaus.

Harz-Beat: Wilhelm Busch ist in Wiedensahl geboren und hat dort lange gelebt. Wodurch ist er nach Mechtshausen gekommen?

Ja, er hat in Wiedensahl die längste Zeit seines Lebens verbracht. Nach Studienaufenthalten in Antwerpen und Düsseldorf kam er immer wieder in das dortige Haus der Familie, in dem er auch geboren ist, zurück. 1872 zog er dann zu seiner Schwester nach Wiedensahl. Sie war mit einem Pastor verheiratet. Als dieser starb, wechselte Wilhelm Busch mit seiner Schwester und ihren drei Jungen ins Pfarrwitwenhaus und kümmerte sich auch um die Ausbildung der Kinder: einer wurde Lehrer, zwei studierten Theologie. Sein Neffe Otto Nöldeke bekam dann 1898 die Pfarrstelle in Mechtshausen und nahm seine Familie samt Mutter und Onkel Wilhelm mit.

Die meisten Exponate seiner Schaffenszeit befinden sich aber in Hannover im »Wilhelm Busch Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst«. Wir haben sogar einen Teil unserer Exponate von dort zur Verfügung gestellt bekommen.

Harz-Beat: Er soll Zeit seines Lebens bedauert haben, viel zu wenig die von ihm so geliebte niedersächsische Landschaft gemalt zu haben, weil er Geld verdienen musste.

Das ist die eine Sache. Eine andere: Er meinte, wie so viele Künstler vor und nach ihm, nicht genügend Talent zu besitzen. Er war ja durch seinen Aufenthalt in Antwerpen stark an den holländischen alten Meistern orientiert. Das sieht man auch an einigen seiner Werke. Im Grunde hat er sich aber deren hohe Malkunst nicht zugetraut.

Harz-Beat: Wie sehen die Zukunftspläne für das Wilhelm Busch Haus aus?

Die Außenfassade und das Dach sind im Einvernehmen mit dem Denkmalschutz gerade restauriert worden. Der nächste Schritt ist der Ausbau und die Restaurierung von bisher als Abstellflächen genutzter Räume. Hier sollen schon in Kürze Workshops mit Kindern stattfinden. Und wir können uns auch vorstellen, dass Kunst-Stipendiaten hier leben und arbeiten.

»Ausstellung der Künstlergilde Harz«

Die ehemaligen Wohnräume der Pastorenfamilie Nöldeke werden schon lange für Ausstellungen genutzt. So findet hier noch bis zum 15. August 2022 eine Gemeinschaftsausstellung der Künstlergilde Harz statt. Ob im Haus oder im Garten, zu unserem Programm gehören viele unterschiedliche Veranstaltungen.

Text, Fotos, Videos, Interviews und Gestaltung: Michael Hotop, Jochen Hotop

Öffnungszeiten

Do., Fr., Sa., So. 15 -17 Uhr

Pastor-Nöldeke-Weg 7
38723 Seesen-Mechtshausen

Tel. 05384-90886 und 05384-612
Email: post@wilhelm-busch-haus.de

Nicht für Touristen (im Gespräch unter Besuchern aufgeschnappt)

  • Es ist so typisch für den Harz, dass Vieles gar nicht publik gemacht wird. Immer gibt man sich bescheiden und möchte eigentlich gar nicht entdeckt werden, während man in Bayern jeden Stein blau-kariert anstreicht und als 8. Weltwunder hinstellt.
  • Wilhelm Busch würde sich als Lehrstoff an der Schule eignen. Aber selbst in der Grundschule des Nachbarortes Rhüden taucht er nicht auf, trotz des Identifikationspotentials für die Jugend.
Wilhelm Busch mit Else und Otto Nöldeke sowie deren Kindern
Wilhelm Busch mit Else und Otto Nöldeke sowie deren Kindern Ruth, Martin und Anneliese.
Foto: Rudolf Dührkoop, Hamburg
Wilhelm Busch im Kreise der Familie Nöldeke
Wilhelm Busch (2. v.r.) 1899 in der Efeugrotte in Mechtshausen im Kreise der Familie Nöldeke.